Malaria-Medikament Artesunat aktiviert
Krebszell-spezifischen lysosomalen Zelltod
Malaria-Medikament Artesunat aktiviert Krebszell-spezifischen lysosomalen Zelltod
Pressemitteilung Nr. 229/2011
8.
Juli
2011
Heidelberger Wissenschaftler untersuchen zelluläre Prozesse beim Abtöten von Brustkrebszellen
Mit
Artesunat behandelte Krebszellen zeigen fragmentierte Mitochondrien
(grün) sowie Lysosomen (rot), die sich in der Nähe des Zellkerns
angesammelt haben. Unbehandelte Krebszellen weisen demgegenüber
typischerweise vernetzte Mitochondrien und durch die gesamte Zelle
verteilte Lysosomen auf.
Die aus einer Heilpflanze gewonnene Wirksubstanz Artemisinin kann
nicht nur in der Malaria-Behandlung, sondern möglicherweise auch in der
Krebsbehandlung Anwendung finden. Die zellulären Abläufe beim Abtöten
von Brustkrebszellen mit Hilfe von Artesunat, einem Derivat des
Artemisinin, haben Wissenschaftler des BioQuant-Zentrums der Universität
Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) untersucht.
Sie konnten zeigen, dass membrangebundene Zellorganellen, die
sogenannten Lysosomen, und das dort vorhandene reaktive Eisen eine
zentrale Rolle beim Artesunat-induzierten programmierten Zelltod der
Krebszellen spielen. Die Forschungsergebnisse wurden im „Journal of
Biological Chemistry“ veröffentlicht.
Extrakte der Heilmittelpflanze Einjähriger Beifuß – Artemisia annua L. –
werden seit mehr als zweitausend Jahren in der traditionellen
chinesischen Medizin eingesetzt. In den 1970er Jahren wurde die
Wirksubstanz Artemisinin identifiziert und klinisch als wirksames Mittel
gegen Malaria charakterisiert. Heutzutage werden Artemisinine weltweit
als Anti-Malaria-Mittel angewendet. Zu den Derivaten gehört das
Artesunat, das wie das Artemisinin seine zellabtötende Wirkung durch die
chemische Reaktion mit Eisen entfaltet. Dabei entstehen sogenannte
reaktive Sauerstoffspezies, die umgangssprachlich auch als freie
Sauerstoffradikale bezeichnet werden. In Malariaerregern entfalten sich
die toxischen Effekte von Artemisinin in der Nahrungsvakuole des
Parasiten, die durch den dort stattfindenden Abbau von Wirts-Hämoglobin
hohe Konzentrationen von redox-aktivem Eisen aufweist.
Analog zu den Nahrungsvakuolen des Malariaerregers haben die
Heidelberger Wissenschaftler die Lysosomen im Artesunat-induzierten
Zelltod bei Brustkrebszellen untersucht. Lysosomen sind von einer
Membran umgebene eukaryotische Zellorganellen, die mit Hilfe bestimmter
Enzyme zelluläre Komponenten abbauen. Zusätzlich enthalten sie, wie die
Nahrungsvakuole der Malariaerreger, größere Konzentrationen von
redox-aktivem Eisen. Dieses lysosomale Eisen haben die Wissenschaftler
als zentralen Ausgangspunkt für den durch Artesunat ausgelösten Zelltod
bei Brustkrebszellen identifiziert. Die Forschergruppe „Systems Biology
of Cell Death Mechanisms“ unter der Leitung von Dr. Nathan Brady hat bei
ihren Untersuchungen festgestellt, dass die gezielte Blockade von
reaktivem Eisen in den Lysosomen die Krebszellen schützt, während
andererseits eine Erhöhung des lysosomalen Eisengehalts die schädliche
Wirkung von Artesunat für die Krebszellen steigert.
Wie Dr. Anne Hamacher-Brady, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der
Forschergruppe „Integrative Bioinformatics and Systems Biology“ unter
der Leitung von Prof. Dr. Roland Eils erläutert, sind intakte Lysosomen
die Voraussetzung dafür, dass das Zelltodsignal an die Mitochondrien
weitergeleitet wird. Mitochondrien, normalerweise die „Kraftwerke“ der
Zelle, spielen im programmierten Zelltod häufig durch die Freisetzung
sogenannter pro-Zelltodmoleküle eine Rolle. Im Zelltod durch Artesunat
findet diese Umwandlung der Mitochondrien in Zelltod-Organellen in
Abhängigkeit des lysosomalen Eisens statt. Die Wissenschaftler konnten
außerdem zeigen, dass das Artesunat durch seinen Einfluss auf die
räumliche Verteilung von zellulären Komponenten Prozesse blockiert, die
normalerweise das Überleben und die Verbreitung von Krebszellen
unterstützen. Dazu gehört unter anderem der Vorgang der Autophagie, bei
dem die Zelle eigene Bestandteile lysosomal abbaut und damit in
Situationen mit begrenzter Nährstoffzufuhr, wie zum Beispiel im Inneren
eines Tumors, überlebenswichtige Makromoleküle recycelt.
Nach Angaben der Heidelberger Wissenschaftler wurde der Zelltod durch
Artesunat nur in Brustkrebs-Zelllinien und nicht in „gesunden“
Brustepithel-Zelllinien ausgelöst. Ihre Hypothese ist, dass diese
Selektivität gegenüber Krebszellen ihre Ursache darin haben könnte, dass
die Krebszellen durch einen veränderten Stoffwechsel einen erhöhten
Bedarf an Eisen aufweisen. Dies ist Gegenstand aktueller Untersuchungen
der beiden Forschergruppen am BioQuant-Zentrum. Informationen im
Internet können unter der Adresse
http://ibios.dkfz.de/tbi unter dem Stichwort „Artesunate“ abgerufen werden.
Originalveröffentlichung:
A. Hamacher-Brady, H.A. Stein, S. Turschner, I. Toegel, R. Mora, N.
Jennewein, T. Efferth, R. Eils, N.R. Brady: Artesunate activates
mitochondrial apoptosis in breast cancer cells via iron-catalysed
lysosomal reactive oxygen species production. J Biol Chem. 2011 Feb 25;
286(8): 6587-6601, DOI: 10.1074/jbc.M110.210047.
Hinweis an die Redaktionen:
Digitales Bildmaterial kann in der Pressestelle abgerufen werden.
Kontakt:
Dr. Nathan Brady
DKFZ und Universität Heidelberg
BioQuant-Zentrum, Telefon (06221) 54-51322
nathan.brady@bioquant.uni-heidelberg.de
Prof. Dr. Roland Eils
Universität Heidelberg und DKFZ
BioQuant-Zentrum, Telefon (06221) 54-51290
roland.eils@bioquant.uni-heidelberg.de
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